Warum der Hype um KI-Video (Google Veo 3) die Identität deiner Marke gefährdet und was du jetzt (strategisch) tun musst.
In den ersten Einträgen dieses Logbuchs habe ich die „Leere“ definiert (das Warum). Ich habe das Fundament meiner „Blaupause“ gelegt (das Was). Und ich habe den menschlichen „Widerstand“ analysiert, der jede klare Strategie zu verwässern droht.
Jetzt tritt ein neuer Akteur auf die Bühne. Ein Akteur, der keinen menschlichen Widerstand leistet. Im Gegenteil. Er verspricht die totale Beseitigung von Reibung. Er verspricht unendliche Skalierung, filmische Qualität auf Knopfdruck und die Demokratisierung der Kreativität.
Ich spreche über KI-Videogeneratoren wie Google Veo, Pika oder Sora.
Das Versprechen ist gewaltig. Es lockt Führungskräfte mit der Utopie unendlicher Inhalte. Als Resonanz-Architekt stelle ich jedoch eine andere Frage. Skaliert die KI die Resonanz einer Marke oder skaliert sie nur den Lärm?
Der Resonanz-Test - ein Feldversuch.
Der einzige Weg, das herauszufinden, ist ein Test unter Realbedingungen. Ich habe eines der aktuellsten Tools (Google Veo 3) mit einer zugegeben schweren Aufgabe konfrontiert. Wenn nicht sogar mit dem schwersten Job, der derzeit durch KI zu erledigen ist. Nicht bloß mit einem „fliegenden Adler über einem See“. Ich konfrontierte es mit dem Kern jeder Story: einem narrativen, emotionalen Moment.
Ich wollte eine Szene mit zwei Charakteren, mit Dialog, mit tiefen Emotionen und mit einer klaren Handlung. Vielleicht keine typische Szene, wie sie jede Premium-Marke für ihr Storytelling benötigt. Doch ich wollte ja bewußt die Grenzen austesten. Dazu habe ich eine Szene aus unserem aktuellen IP-Testprojekt zum Markenaufbau, der „Anatomie der Frequenzen“ Trilogie von Synapse Pulse Films genommen. Der Protagonist „Jonas“ liegt mit akuten Schmerzen auf der Intensivstation und bekommt Besuch.
Das ist das „rohe“ und unbearbeitete Ergebnis.
Dafür, dass es „nicht echt“ ist, sieht es zunächst beeindruckend aus. Doch dieser Clip ist das Ergebnis von 35 Iterationen.
Hier liegt die erste strategische Wahrheit, die im Hype untergeht. Die Effizienz der KI ist eine Illusion. Die Arbeit verschwindet nicht. Sie verlagert sich. Der Aufwand wechselt von der Produktion zur Kuratierung und zur gnadenlosen Post-Produktion.
Für einen CEO bedeutet das: Die versteckten Kosten liegen nicht in den Credits des Tools. Sie liegen in den Experten-Stunden, die 34 „falsche“ Versionen aussortieren und die 35. Version reparieren.
Drei strategische Risiken: Die Resonanz-Brüche der KI
Bei der Analyse dieser 35 Versuche offenbarten sich drei fundamentale Brüche. Drei strategische Risiken, die jede Marke im Premium-Segment kennen muss, bevor sie ihr Image in die Hände eines Algorithmus legt.
1. Der Identitäts-Bruch. Wenn die KI dein Gesicht vergisst
Das größte Risiko für deine Marke ist der Verlust von Konsistenz. Deine Marke ist Konsistenz. Dein Logo, deine Farben, dein visueller Stil, deine Markenbotschafter.
Im Test zeigte sich: Die KI kämpft mit „Character Consistency“. Die Figur „Jonas“ sah in Take 5 anders aus als in Take 12. Die Haare, die Gesichtszüge. Sie drifteten.
Was bedeutet das für dich? Wenn die KI dein Corporate Design nicht in jedem Frame konsistent halten kann. Wenn sie dein Produkt oder dich als CEO in jedem zweiten Clip subtil anders darstellt. Dann erodiert deine mühsam aufgebaute Markenidentität. Du trainierst dein Publikum auf visuelle Beliebigkeit. Resonanz erfordert jedoch Wiedererkennung.
2. Der Glaubwürdigkeits-Bruch. Das "Uncanny Valley" des Marketings
Premium-Marken leben von Vertrauen. Dieses Vertrauen ist fragil.
Im Test scheiterte die KI an der Synchronisation von Dialogen. Die Mundbewegungen passten nicht. Schlimmer noch. Die KI „halluzinierte“ und wechselte am Ende einer Szene plötzlich die Sprache von Deutsch auf Englisch.
Das ist das „Uncanny Valley“ (das Unheimliche Tal) des Marketings. In dem Moment, in dem der Zuschauer spürt, dass etwas „nicht stimmt“, bricht die Verbindung. Er spürt die Fälschung.
Für deine Marke, deren Fundament Authentizität ist, ist dieser Bruch fatal. Du kannst nicht „Premium“ und „Fake“ gleichzeitig sein. Deine Marke verliert ihre Glaubwürdigkeit.
3. Der Logik-Bruch. Wenn Details den Qualitätsanspruch töten
Du definierst deine Premium-Positionierung über die Liebe zum Detail. Jede Naht sitzt. Jede Service-Interaktion ist poliert.
Im Test-Clip gab es einen simplen Logikfehler. Eine Eistee-Flasche erschien aus dem Nichts auf dem Bett (bei 00:41). In der Einstellung zuvor (00:30) existierte sie nicht.
Ein kleiner Fehler? Für ein virales Cat-Video, ja. Für eine Marke, die mit Qualität und Sorgfalt wirbt, nein. Es ist ein Signal. Es signalisiert Schlampigkeit. Es untergräbt unbewusst deinen eigenen Qualitätsanspruch beim Kunden.
Die strategische Empfehlung des Architekten
Die Schlussfolgerung ist nicht, KI zu ignorieren. Das wäre naiv. Die einzig sinnvolle Schlussfolgerung ist der strategische Einsatz.
Die Wahrheit (Stand heute) ist: KI-Video ist ein Werkzeug für Assets, jedoch noch nicht für Narrative.
Sie ist brillant für abstrakte Visuals, für texturierte Hintergründe, für B-Roll und Traumsequenzen. Sie ist gefährlich, sobald sie den Kern deiner Marke berührt. Deine Charaktere, deine Dialoge und deine Handlungen.
Der strategisch richtige Weg ist ein Hybrid-Ansatz. Die KI agiert als unermüdlicher Praktikant, der 1000 Entwürfe liefert. Der „Resonanz-Architekt“ (dein Stratege, dein Art Director) bleibt der Kurator und der Regisseur.
Die Arbeit besteht darin, die 0.5% Gold aus dem KI-Schutt zu filtern. Dieses Gold muss in der Post-Produktion (mit Spezial-Tools und menschlicher Expertise) auf Marken-Niveau gehoben werden.
Die Frage für dich als Führungskraft ist nicht ob du KI nutzt. Die entscheidende Frage ist, ob du bereit bist, in die strategische Kuration und die manuelle Veredelung zu investieren, die notwendig sind, um deine Resonanz nicht zu verlieren.
Die „Leere“ (aus Eintrag 01) füllt sich gerade mit KI-generiertem Lärm. Deine Aufgabe als Architekt ist es, keinen weiteren Lärm zu produzieren. Deine Aufgabe ist es, die Seele deiner Marke zu schützen.
Die strategische Empfehlung des Architekten
Die Operation läuft. Mit dem Lesen dieses Logbuchs bist du mehr als ein passiver Leser. Du bist ein Beobachter im Operationssaal.
Dieses Experiment ist öffentlich. Dein Feedback ist der Monitor, der die Vitalwerte anzeigt. Jede Interaktion, jedes Signal, fließt direkt in die Analyse der Resonanz ein.
Du entscheidest, von welcher Position aus du den Eingriff verfolgst:
Das Epizentrum (Blog): Hier auf thorsten-litzki.de liest du die vollständigen Logbuch-Einträge. Das ist die Kommandozentrale. Deine Analysen und Kommentare direkt unter den Posts sind hier essenziell.
Der visuelle Monitor (Instagram): Auf @synapse.pulse.official poste ich die „Artefakte“ der Operation. Die Reels, die visuellen Tests, die Bilder. Dein Engagement dort ist das EKG. Es zeigt die unmittelbare emotionale Reaktion.
Der Frequenz-Sender (X/Twitter): Unter @synapsepulse_de sende ich die schnellen, ungefilterten Signale. Kurze Thesen und Feldnotizen. Deine Antwort oder dein Retweet moduliert die Frequenz.
Der professionelle Diskurs (LinkedIn): Bei Synapse Pulse Films übertragen wir die künstlerische Forschung in den B2B-Kontext. Dein Input dort ist der professionelle Peer-Review.
Das Querverweis-Archiv (Facebook): Unter meinem Profil Thorsten Litzki bündle ich persönlichere Gedanken und Querverbindungen.
Die Kanäle sind offen. Die Datenströme laufen. Wähle deinen Posten. Beobachte. Analysiere. Und teile deine Diagnose.
Dein Input ist jetzt Teil des Systems.
